Der Twitter-Börsengang weckt böse Erinnerungen
In Stunden wird die Twitter-Aktie erstmals gehandelt. Die Erwartungen an die Entwicklung des Papiers stehen aber im Gegensatz zum bisherigen Erfolg. Das erinnert an die Dotcom-Blase – auch in der Schweiz.
Ein Internetunternehmen, das noch nie Gewinne geschrieben hat, sieht seinen Börsenwert bei 14,2 Milliarden Dollar. Die Rede ist vom Kurznachrichtendienst Twitter, der heute sein Börsendebüt gibt. Das seit sieben Jahren bestehende Unternehmen hat bisher nur Verluste gemacht.
Das erinnert frappant an die Internetblase (Dotcom Bubble) Ende der 1990er-Jahre. Alles, was irgendwie mit Internet zu tun hatte, schien damals gigantische Gewinne zu versprechen. Mit Unternehmen mit hochtrabenden Namen wie Think Tools, Miracle oder Fantastic erreichte die Euphorie damals auch die Schweiz. Von deren Börsengängen versprach sich fast jeder einen schnellen Gewinn, und so stiegen deren Aktien anfänglich allein von dieser Erwartung getrieben kräftig an. Allerdings endete die Party in jedem dieser Beispiele in Tränen.
Und wieder werden Wunder erwartet
Auch Twitter übt sich im Vorfeld der Börsengangs nicht in Bescheidenheit. Noch vor wenigen Tagen hat das Unternehmen die Preisspanne für seine Aktie auf einen Betrag zwischen 23 und 25 Dollar festgesetzt, noch früher war eine Spanne zwischen 17 und 20 Dollar geplant. Jetzt soll die Aktie für 26 Dollar an die Börse gebracht werden. 70 Millionen Aktien sollen an der Börse verkauft werden, 545 Millionen existieren dann insgesamt. Das führt bei 26 Dollar pro Titel zu einem Börsenwert von 14,2 Milliarden Dollar.
Twitter begründet den höheren Ausgabepreis mit einer starken Nachfrage. Davon berichten auch andere. So schreibt das Internetportal Business Insider, der Preis der Twitter-Aktie könnte sogar auf 80 Dollar ansteigen, womit Twitter mit 43,6 Milliarden Dollar bewertet wäre.
Hinkender Vergleich mit Facebook
Der Twitter-Börsengang wird allerdings meist nicht mit den Erfahrungen mit der Dotcom-Blase der 1990er-Jahre verglichen, sondern mit dem Börsengang von Facebook. Das war damals ein Drama, weil die Aktie rasch und drastisch unter den Ausgabepreis gesackt war. Das wäre auch für Twitter verheerend.
Facebook hat sich nach dieser Enttäuschung allerdings auch für Twitter wieder zum Hoffnungsträger gewandelt. Die Aktie hat seit dem Börsengang um 29 Prozent zugelegt. Aber anders als Twitter verdient Facebook netto Geld: Auf 425 Millionen Dollar belief sich der Gewinn allein im dritten Quartal. Seit Jahresbeginn 2013 liegt er bei knapp einer Milliarde Dollar.
Die Einnahmen legen kräftig zu, die Kosten noch kräftiger
Immerhin verzeichnet Twitter seit seinem Bestehen einen drastischen Anstieg der aktiven Nutzer, und das gilt auch für die Einnahmen: Für das Jahr 2010 lagen sie noch bei 28 Millionen Dollar, für 2012 bereits bei 316 Millionen. Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres waren es allein 253 Millionen. Leider haben aber die Kosten noch stärker zugelegt, sodass der Verlust des Jahres 2012 mit 79,4 Millionen höher liegt als im Jahr 2010 mit 67,3 Millionen Dollar.
Dennoch stehen die Chancen von Twitter deutlich besser als diejenigen der Schweizer Internetunternehmen, die Ende der 1990er-Jahre die Anleger zu blenden vermochten: Twitter wird immerhin weltweit von 218 Millionen Personen benutzt und hat damit zumindest Gewinnchancen, ausserdem besteht für das vorhandene Angebot des Kurznachrichtendienstes keine vergleichbare Konkurrenz. Als Gemeinsamkeit bleibt aber, dass offenbleibt, wie das Unternehmen Gewinne erwirtschaften kann, die die Erwartungen an seinen Börsenkurs rechtfertigen.
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