
Jetzt wird die Schweiz also zur Corona-Testpflicht-Insel. Die Nachbarländer Italien, Österreich, Deutschland und Frankreich verlangen bereits, was die Europäische Union «nachdrücklich» empfiehlt: Reisende aus China sollen bei der Ankunft nachweisen, dass sie Corona-negativ sind.
Mit seinem Entscheid, keine Reisebeschränkungen für Chinesinnen und Chinesen einzuführen, widersetzt sich der Bundesrat nicht nur den Wünschen der EU. Er widersteht auch den Stimmen im Inland, die sozusagen den «autonomen Nachvollzug» des europäischen Mainstreams verlangen.
Am lautesten rief und ruft dabei ausgerechnet SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi nach der Massnahme. Und auch Die Mitte stimmt in den raunenden Chor der ewigen Warner ein, der mit der Testpflicht das Einschleppen einer Covid-Supervariante verhindern will.
Für ihren Entscheid ist die Landesregierung auch bereit, Risiken einzugehen.
Der Bundesrat tut also, was er in der Pandemie schon oft getan hat: Er widersteht dem äusseren und inneren Druck, den epidemiologisch vorsichtigsten Kurs zu fahren. Er geht weiter beharrlich den «Schweizer Weg» in der Corona-Politik.
Für ihren Entscheid ist die Landesregierung auch bereit, Risiken einzugehen. Denn es ist nicht hundertprozentig auszuschliessen, dass die aus verschiedenen Gründen bis zur Schmerzgrenze belasteten Schweizer Spitäler durch neue gefährliche Virusvarianten an den Anschlag kommen.
Schliesslich empfiehlt auch die Weltgesundheitsorganisation die Testpflicht und macht dafür wissenschaftliche Argumente geltend. Denn die chinesische Führung unter ihrem Autokraten Xi Jinping ist ja allzu bekannt dafür, dass sie Informationen über das Virus und seine neuen Varianten bewusst zurückhält oder verschleiert. Vorsicht ist und bleibt da geboten.
Aber sowohl die ehemalige Chefin der Schweizer Taskforce Tanja Stadler als auch der einflussreiche Zürcher Infektiologe Huldrych Günthard halten die Testpflicht für nutzlos und überflüssig. Denn der Infektionsschutz in der Schweiz ist durch Impfung und durchgestandene Krankheit bereits sehr hoch.
Zudem ist die Wahrscheinlichkeit neuer gefährlicher Virus-Abwandlungen aus China tief. Denn die Immunität der Menschen ist dort – bedauerlicherweise! – noch so lückenhaft, dass sich eher bekannte Varianten verbreiten.
Das Virus ist immer wendiger, findiger und flinker als die Politik und ein noch so wasserdichter Grenzschutz.
Zudem zeigt die Geschichte der Pandemie, dass Reisebeschränkungen die Verbreitung des Virus nie stoppen konnten. Donald Trump verhängte schon im Januar 2020 eine Einreisesperre für Reisende aus China. An der Ausbreitung der Seuche in seinem Land änderte er damit nichts.
Das bizarre Schauspiel wiederholte sich im November 2021. Die USA wollten sich damals die Omikron-Variante durch ein Besuchsverbot aus Südafrika vom Leib halten. Das war ebenso wirkungslos. Wir haben auf die harte Art gelernt: Das Virus ist immer wendiger, findiger und flinker als die Politik und ein noch so wasserdichter Grenzschutz.
Das Bauchgefühl sagt einem möglicherweise dennoch, es sei richtig, sich vor dem Virus durch Abschottung zu schützen. Es ist aber ein nicht besonders frommer Wunsch, durch Einigeln lasse sich eine epidemiologisch heile Heimat bewahren. Ihm haftet auch ein Hauch von Fremdenfeindlichkeit an.
Der Bundesrat hat statt mit dem Bauch mit Vernunft entschieden, eigenständig und konsequent.
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Kommentar zum Verzicht auf die Corona-Testpflicht – Der Bundesrat hat mit Vernunft entschieden, nicht mit dem Bauch
Mit seiner Absage an Einreisebeschränkungen für Personen aus China geht der Bundesrat bei Corona weiter beharrlich den «Schweizer Weg». Gut so.