Saisonende für den SCBDer Bieler Hammer kam 1,5 Sekunden vor Schluss
Der SCB kassiert gegen Biel im letzten Moment das entscheidende Tor zum 3:4. Bern verliert den Best-of-7-Viertelfinal mit 2:4, während der Gegner eine Runde weiter ist.

Ist mehr Wahnsinn am Ende möglich? Der SCB, der vier Minuten vor Schluss zum 3:3 ausgleicht und sich ein Extraleben verleiht – mit einem kuriosen Treffer, bei dem mit Yakovenko, Forster und Goalie Säteri es drei Bieler sind, die den Puck als Letzte berühren. Und als sich alle auf die erste Overtime dieser Serie eingestellt haben, erzielt Mike Künzle 1,5 Sekunden vor Schluss den Treffer, der alles besiegelt: Die Serie, Berns Saisonende und den Halbfinaleinzug der Bieler.
Der SCB, der fünf Sekunden vor Schluss noch problemlos in Puckbesitz ist. Die Spieler, denen der Puck verspringt: Colton Sceviour und Josh Teves. Ausgerechnet und so untypisch. Sceviour, der fast eine ganze Saison lang eine der wenigen wirklichen positiven Überraschungen im SCB gewesen war und für Kampf, Krampf und viele, viele Wühlertore stand. Teves, der mitten in der Saison als Aushilfe kam und nach wackligem Beginn mit seiner Ruhe und Mobilität zur Bereicherung für die SCB-Defensive wurde.
Auf dem Eis steht auch Chris DiDomenico, es ist sein letzter richtiger Shift für den SCB. Er kommt noch für die letzten 1,5 Sekunden aufs Eis und schiesst den Puck nach der Sirene enttäuscht tief in die Ecke. Nächste Saison spielt er wieder für Gottéron, weil er trotz SCB-Vertrag bis 2024 frühzeitig weg wollte.
Dieser Hammer kurz vor Schluss, er ist untypisch, was die beiden Beteiligten betrifft. Und dennoch ist es im grossen Bild des SCB so typisch, dieses allerletzte Gegentor. Es ist quasi die ganze Saison der Berner im Mikrokosmos. Ein so unnötiger Fehler, ein derart skurriler Aussetzer, nach dem auch auf der Bieler Bande Trainer Antti Törmänen nur noch ungläubig lächeln kann - sein Blick verrät, dass auch er nicht mit diesem Schluss gerechnet hat. Der SCB schien wieder am Leben, doch dann war plötzlich alles vorbei.
Der SCB hatte zuvor grösstenteils seinen Aufwärtstrend in dieser Serie bestätigt, dies galt bereits letzten Freitag in Biel trotz 1:3-Niederlage. Er trat seit Spiel 3 und dem 0:2-Rückstand in der Serie positiv verändert auf. Er lag auch in Spiel 6 nach zwei Dritteln 2:1 vorne und schien auf gutem Wege, sich in Spiel 7 zu kämpfen. Kämpfen, das ist das korrekte Wort. Denn dass Biel das spielerisch bessere Team ist, blieb unverändert.
Biel mit «Tic-tac-toe», Bern mit dem Forechecking
Bevor die Partie in den «Wahnsinn-Modus» wechselte, war auch viel «Normales» passiert. Beide Teams kamen auf ihre bevorzugte Weise zu Chancen und Toren. Biels 0:1 fiel früh und unmittelbar nach dem ersten Powerplay. Es war ein direktes «Tic-tac-toe»-Spiel via Victor Olofsson, Gaëtan Haas und Torschütze Fabio Hofer, vor allem der letzte Pass auf den Österreicher zeugte von grossem Spielverständnis des Bieler Captains.
Und Berns 2:1 war genau jene Art «hässliches» Tor dank einer Art Torchance, die der SCB anstrebt: Das Forechecking Joël Vermins und Tristan Scherweys war perfekt getimet, es verleitete die Bieler Verteidiger Yannick Rathgeb und Robin Grossmann zu unkontrollierten Pässen. Am Ende beförderte Thierry Bader den Puck vors Tor, wo Vermin, dem in dieser Saison in der Offensive so oft so vieles misslungen war, den Treffer erstocherte.
Noch so gerne hätte Bern solche und ähnliche Szenen viel häufiger kreiert. Er war trotz frühem Rückstand gar nicht so schlecht ins Spiel gestartet, Tempo und Intensität stimmten. Doch der EHC Biel bewies mehrfach, auch nach der Führung, wie gut er auch unter Druck verteidigen, sich aber auch spielerisch lösen kann. Es hätte schon früh zum frustrierenden SCB-Abend werden können.

Auch, weil die Strafe Oscar Lindbergs vor dem 0:1 so gar nicht in den Gameplan der Berner passte: Er zog als Revanche-Aktion den Helm Noah Delémonts unmittelbar vor dem Schiedsrichter aus und schenkte dem Gegner somit das Powerplay. Es dürfte für den Schweden darum eine grosse Erlösung gewesen sein, dass er mit einer guten Aktion am Ausgleich beteiligt war: Seinen Pass in den Slot verwertete Dominik Kahun im Powerplay zum 1:1 zu einem für den SCB perfekten Moment: 40 Sekunden vor der ersten Pause.
Der SCB kassierte im Schlussdrittel früh das 2:2, weil Toni Rajala aus der Ferne zum dritten Mal in dieser Serie SCB-Goalie Philipp Wüthrich unglücklich erwischte. Auch das ist nichts Neues: Biels Tospskorer schiesst von wirklich überall, auch in Szenen, in denen andere nur an Pass oder Puckkontrolle denken.
Kurz danach geriet Bern 2:3 in Rückstand, weil Jesse Zgraggen den Puck hinter dem Tor unter Druck nicht kontrollieren konnte und somit Etienne Froidevaux den Assist auf Elvis Schläpfer ermöglichte. Zgraggens Faux-pas war ebenfalls typisch und nicht der erste Aussetzer dieser Art. Der Verteidiger spielte einen grossen Teil der Saison unter anderem mit einer vom SCB geheim gehaltenen Handverletzung und oft nur darum, weil in der Defensive Personalnot herrschte und er dem Team irgendwie und mit physischer Präsenz helfen wollte.
Am Ende waren das alles Randgeschichten. In Erinnerung von Spiel 6 wird vor alllem dieses irre letzte Tor bleiben. Und natürlich der Abschied Beat Gerbers. Der verletzte NL-Rekordspieler (1270 Partien), der nun zurücktritt, wurde von den SCB-Fans sofort nach dem Spiel aufs Eis geschrien und würdig verabschiedet. Immerhin dieser Schlusspunkt war auch aus Berner Sicht ein schöner.
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