Das Wettrüsten der Krypto-Mineure und seine Folgen
Warum die Spekulation mit Bitcoin & Co. Gamer nervt und Chiphersteller zu unüblichen Massnahmen zwingt.

Der Rückschlag war nur von kurzer Dauer. Die Spekulationswelle rund um digitale Währungen wie Bitcoin ist erneut voll entbrannt. Auch Privatleute steigen mittlerweile mit massiv aufgerüsteten Computern ins Geschehen ein. Sie wollen auf ihren Maschinen Kryptowährungen erzeugen, die Fachleute sagen «schürfen» und wollen so am Boom mitverdienen.
Die Nachfrage nach leistungsstarken Prozessoren und Grafikkarten ist derart explodiert, dass die zwei führenden Chiphersteller der USA eine Verkaufsgrenze einführen wollen, um ihre Stammkundschaft der Videogamer nicht zu verärgern. «Die Kryptowährungen können nicht schnell genug zusammenbrechen», klagte kürzlich ein Videospieler im PCGaming-Blog. Die führende Elektronikverkaufskette Best Buy meldete vor kurzem den Ausverkauf der begehrten Ware.
Bis zu 300 Prozent Preisaufschlag
Es geht um hochpotente Prozessoren, die eigentlich für Videospiele gedacht sind, aber von den «Krypto-Mineuren» für ihre Zwecke umgepolt werden. Die GTX 1070-Videokarte von Nvidia etwa war vor kurzem bei Amazon für 868 Dollar zu haben – doppelt so viel wie im vergangenen Sommer. Dabei ist die Karte gebraucht. Ein neuer Prozessor kostet 1599 Dollar. Auch leistungsstarke Videoprozessoren von Advanced Micro Devices sind bei Amazon, Ebay und Craigslist nur für zwei- bis dreifach überhöhte Preise zu haben. Die Knappheit besteht weltweit: Auch in Saudiarabien und in Südkorea sind leistungsfähige Prozessoren Mangelware.
Wer eine Kryptowährung schürfen will, braucht PCs mit Top-Komponenten und superschnelle Grafikkarten. Beim Mining wird jeder Spekulant für seine Rechnerleistung mit Digitalgeld entschädigt. Je stärker seine Maschine, desto höher die Chance, die Transaktionen der anderen Spieler in Codes umzurechnen und einen Gewinn einzustreichen.
23'000 Dollar für Chips
Ganz dem Fieber verfallen ist das Ehepaar Justin und Tiffany Kelly. Beide waren Videogamer, bevor sie ins Kryptogeschäft eingestiegen sind. Sie kauften vergangenen Sommer gleich 48 Videoprozessoren für rund 23'000 Dollar und bauten damit einen «genmanipulierten Supercomputer» zusammen. Sie machen nach eigenen Angaben heute pro Monat mit der Kryptowährung Ethereum Gewinne von 5000 bis 7000 Dollar. Das reiche aber gerade, um die Investitionen und die Stromrechnung von 700 Dollar zu decken, sagten sie dem «Wall Street Journal».
Ein Ende der Kryptospekulationswelle sei trotz der wilden Preisausschläge nicht abzusehen, meinen die Experten der Investmentbank Morgan Stanley. Mineure verdienten täglich 1.76 Dollar pro Videokarte, das sei 50 Prozent mehr als im vergangenen Oktober. Das Ethereum-Mining habe im vergangenen Jahr Gewinne von bis zu 8900 Prozent ermöglicht, schreibt Analyst Joseph Moore. Trotz der jüngsten Kurskorrekturen werde die Spekulation wahrscheinlich weitere Gewinne abwerfen.
Angeheizt wird die Nachfrage denn auch in erster Linie durch Hunderte von Alternativwährungen zu Bitcoin. Insbesondere Ethereum hat sich zum beliebten Ziel der Mineure entwickelt, da sie als weniger anspruchsvoll gilt als Bitcoin.
Die Gewinner der Kryptomanie
Das Ganze erinnert an die Aufrüstung im Kalten Krieg. Je mehr die Spieler hochrüsten, desto mehr müssen sie in starke Rechner investieren, um mithalten und vielleicht gewinnen zu können.
Doch sie sind gewarnt, und nicht nur von alten Hasen wir Investorenlegende Warren Buffett und dem Nobelpreis-prämierten Ökonomen Robert Shiller. Einer der angesehenen Pioniere der Szene, Vitalik Butelin, verschickte dieser Tage einen deutlichen Tweet: «Kryptowährungen sind super-volatil und können jederzeit auf null sinken. Investieren Sie kein Geld, das Sie nicht verlieren können.» Dagegen sind die US-Chiphersteller Nvidia und AMD die Gewinner der Kryptomanie. Sie wiesen dank der massiven Nachfrage nach Videokarten hervorragende Quartalabschlüsse aus. Gemäss AMD-Chefin Lisa Su ist ein Drittel des Wachstums den Krypto-Mineuren zu verdanken, während Nvidia rekordtiefe Lagerbestände der gesuchten Grafikprozessoren meldete. Die Nvidia-Aktie spiegelt diesen Erfolg, ist sie doch in nur einem Jahr um fast das Dreifache gestiegen. Damit hat sie andere Überflieger wie Amazon oder Facebook weit hinter sich gelassen.
Spekulanten gegen Gamer
Der Erfolg allerdings ist zweischneidig, denn die Stammkunden von Nvidia- und AMD-Prozessoren sind nicht die Spekulanten, sondern die Videogamer. Nvidia ersuchte vor kurzem deshalb den Handel darum, die Videospieler zu bevorzugen und vermuteten Krypto-Mineuren höchstens zwei Prozessoren zu verkaufen. Wirken dürfte die Empfehlung jedoch kaum.
Denn die Spekulanten kaufen die Prozessoren einfach bei unabhängigen Händlern und zahlen ein Mehrfaches der Ladenpreise. In den USA ist daher ein Zwist zwischen den Krypto-Spielern und den Videogamern entbrannt. «Die Mineure haben unser liebgewonnenes Hobby zur Hölle gemacht», klagt Sarah Kaiser, eine passionierte Gamerin. Zwar hatte ihr Elektronikgeschäft leistungsstarke Prozessoren zur Hand, verkaufte sie aber nur in einem Paket mit allen anderen Bauteilen eines PC, um Krypto-Spekulanten fernzuhalten. Statt 600 Dollar für eine Karte musste Kaiser 1500 Dollar für den ganzen und unnötigen Bausatz auslegen.
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