Belle Epoque: Altes Handwerk blüht wieder auf
Die am Sonntag startende Belle-Epoque-Woche steht unter dem Titel «Kunst und Eissport». Dazu passend öffnet Ursula Binz ihre historische Schmiede, wo bereits vor über 100 Jahren Eispickel hergestellt wurden.
Es beginnt als leises Knistern. Weisser Rauch quillt aus der Esse. Und schon bald erwächst daraus eine helle Flamme, etwa einen halben Meter hoch. Funken sprühen. Der erste Schritt ist gemacht. Mit der grossen Kelle fügt Ursula Binz ein Gemisch aus Koks und Fettkohle hinzu und startet die elektrische Luftzufuhr, die die Kohlen nach kurzer Zeit gelb und rot glühen lässt.
Der mächtige Blasebalg unter dem Dach der Schmiede funktioniert zwar mittlerweile auch wieder, liefert aber nicht mehr genug Sauerstoff, um das Feuer auf die nötigen Temperaturen zu erhitzen. Fünf Liter Spezialöl hat Ursula Binz Schicht für Schicht aufgetragen, um das russgeschwärzte Leder wieder einigermassen geschmeidig zu machen.
Schmiede 1906 gegründet
Der Zahn der Zeit hat hier zwar genagt, aber nicht unwiederbringlich zerstört. Dass die historische Schmiede am Sagigässli in Kandersteg allerdings wieder so gut in Schuss ist, ist sicherlich dem grossen Einsatz von Ursula Binz und ihrem Lebensgefährten Franz Blum zu verdanken.
2010 hat die Wahlkanderstegerin das historische Gebäude von Oskar Schild gekauft und in Abstimmung mit der kantonalen Denkmalpflege aufwendig restauriert. Schild ist ein Enkel des früheren Dorfschmieds Peter Schild senior, der bereits im Jahr 1906 in diesem Haus das Feuer für sein schweisstreibendes Handwerk entfachte.
«Damals war eine Schmiede noch eine der zentralen Anlaufstellen im Dorf», erklärt Ursula Binz. Jeder habe die Dienste des Schmieds in Anspruch genommen: zum Beschlagen der Pferde oder Wagenräder, zur Herstellung von Werkzeugen für Wald und Feld.
«Mit einem einzigen Elektromotor betrieb Peter Schild junior eine Bohrmaschine, Schleifgeräte und einen selbst konstruierten, mächtigen Schmiedehammer, der das ganze Haus erzittern liess.»
Und schliesslich auch die Touristen, die nach der Inbetriebnahme des Lötschbergtunnels in das Bergdorf im Berner Oberland kamen und zum Sturm der Alpengipfel spezielles Gerät benötigten: Eispickel. Was sein Vater begann, führte Peter Schild junior zur Perfektion. Nachdem er die väterliche Schmiede übernommen hatte, fertigte er in Präzisionsarbeit Eispickel im grossen Stil – für Bergsteiger, das Militär und sogar Kunden aus Übersee, er bezeichnete sich bald als «Eispickel-Fabrikant».
Mit einem einzigen Elektromotor betrieb er bis in die Achtzigerjahre mit einer Transmission eine Bohrmaschine, Schleifgeräte und einen selbst konstruierten, mächtigen Schmiedehammer, der das ganze Haus erzittern liess, wie Ursula Binz berichtet. Auch diese Maschinen laufen von breiten Lederriemen betrieben nach wie vor.
Kunst und Eispickel
Ursula Binz nutzt weiterhin Kamin, Hammer und Amboss. Die 63-Jährige bearbeitet einen 1000 Grad heissen, glühenden Eisenstab. Mit einigen gezielten Schlägen formt sie eine Spirale. Die Begeisterung für das Material Metall hat die Künstlerin von ihrem Vater geerbt, der als Schlosser gearbeitet hat. So sind im Vorraum zur Schmiede einige Werke von Ursula Binz ausgestellt, ebenso wie Kunstschmiedearbeiten von ihrem Vater Walter und Louis Thum.
«Das ist Geschichte hautnah.»
Zu sehen sind aber auch die historischen Werkzeuge, Rohlinge und Eispickel von Peter Schild senior und junior. «Das ist Geschichte hautnah», meint Ursula Binz, und sie freut sich auf zahlreiche Besucher an zwei Tagen der Belle-Epoque-Woche (siehe Infobox).
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