Comeback mit Stern
Mit der Maybach-Version setzt Mercedes-Benz der neuen S-Klasse die Krone auf.

Nichts! Man hört einfach nichts: Vorn arbeitet ein Kraftwerk mit zwölf Zylindern, sechs Litern Hubraumund 530 PS, und draussen quälen sich Tausende in den Feierabend. Aber auf der wolkenweichen Lederliege im Fond des neuen Mercedes Maybach ist man der Welt entrückt und fühlt sich wie ein König. Das passt. Denn mit der ab Februar lieferbaren XXL-Version setzt Mercedes der neuen S-Klasse die Krone auf.
«Sie ist nicht nur die beste, sondern sie ist auch die erfolgreichste Luxuslimousine der Welt», sagt Dieter Zetsche mit Blick auf die 100'000 Zulassungen im ersten vollen Jahr. «Das ist mehr, als Audi und BMW in diesem Segment zusammen verkauft haben», freut sich der Daimler-Chef und sieht seinen Bestseller im Smoking zu Höherem berufen: Keine geringeren Konkurrenten als Rolls-Royce und Bentley nehmen die Stuttgarter ab Februar ins Visier, wenn sie den neuen Maybach vom Stapel lassen.
«Beste Grundlage»
Anders als beim wenig glücklichen Relaunch kurz nach der Jahrtausendwende haben sie dafür aber diesmal kein eigenes Auto gebaut und keine eigene Marke aus der Taufe gehoben, sondern halten sich nah an der S-Klasse. «Eine bessere Grundlage gibt es schliesslich nicht», sagt der oberste Produktstratege Johannes Reifenrath mit Blick auf den überragenden Komfort und die wegweisenden Assistenzsysteme im aktuellen Mercedes-Flaggschiff.
Trotzdem ist der Maybach keineswegs nur eine aufgehübschte Ausstattungsvariante, die sich über dickeres Leder, aufwendigere Nähte und weichere Polster definiert. Zwar gibt es in der über 100 Seiten starken Preisliste nur eine Handvoll Optionen wie die silbernen Champagnerkelche oder das Panoramadach mit der elektrochromatischen Verdunkelung aus dem SL, die nur der Topversion vorbehalten sind. Denn beheizte Cupholder oder elegante Klapptische kann man selbst für die beiden kürzeren Radstände bekommen. Und auch Designänderungen wie die verchromte B-Säule oder neue Zierstäbe im Grill sind eher subtil. Doch das Maybach-Logo auf der C-Säule verdient sich der Luxusliner schon allein mit den 20 Zentimetern mehr Radstand, die bei einer Länge von 5,45 Metern jetzt komplett den Hinterbänklern zugute kommen.
Aber wer sich hinten rechts in die Polster gleiten lässt, der geniesst nicht nur eine Beinfreiheit wie im Ballsaal und eine Bestuhlung wie in der First Class eines Linienfliegers – nur dass man im Maybach als leisester Limousine der Welt mehr Ruhe hat als in einem Jumbo. Sondern mit ionisierter, dutzendfach gefilterter und noblem Argarwood-Parfümangereicherter Luft, einem wolkenweichen Fahrwerk und einer sanften Massagefunktion in den Polstern ist man im Nu der Welt entrückt.
Einzig der Ärger über das Infotainment mag noch für eine gewisse Erdung sorgen: Denn mit seinen festen Bildschirmen ohne Touchfunktion und einer komplizierten Fernbedienung wirkt das schon veraltet. Allerdings: Wer im Maybach sitzt, der lässt sich die Sender suchen und die E-Mails vorlesen, statt selbst zu surfen. Wofür hat man schliesslich Personal.
Privatjet mit Bodenhaftung
Apropos Personal: Dass man im 600er bis zu 830 Nm ein 2,3 Tonnen schweres Gebirge aus Stahl im Zweifelsfall in 5 Sekunden von 0 auf 100 prügeln kann und der 500er mit acht Zylindern, 455 PS und 700 Nm kaum weniger dynamisch ist, mag den Chauffeur freuen. Aber dass sich unter den Luftpolstern des Fahrwerks der Boden wellt, dass draussen bei 250 Sachen der Wind raucht und vor den Fenstern die Welt vorbeizieht – all das wirkt vom Fond des Maybach aus betrachtet einfach so weit entfernt, dass man sich mit solchen Banalitäten gar nicht beschäftigen möchte. So ähnlich muss sich Beamen anfühlen, nur wahrscheinlich nicht ganz so komfortabel. Und zum Privatjet mit Flughöhe null fehlt eigentlich nur noch die Stewardess.
Aber so abgehoben das Fahrerlebnis in der Überversion der S-Klasse auch sein mag, so bodenständig ist die XXL-Version der S-Klasse zumindest im Konkurrenzumfeld. Denn erstens sieht er abgesehen von den sanften Retuschen wie eine ganz normale S-Klasse aus und wirkt auch mit seinen 5,45 Metern fast ein bisschen dezent, wenn man ihn neben einen barocken Bentley Flying Spur oder einen protzigen Rolls-Royce Ghost stellt. Und zweitens ist er fast ein Schnäppchen und startet in Deutschland bei 134 054 Euro. Das sind gegenüber der normalen Langversion der S-Klasse gerade einmal 20'000 Euro Aufpreis. Doch keine Sorge: Über 100 optionale Positionen auf der Preisliste lassen reichlich Luft nach oben, sodass man selbst die 187 842 Euro für den S 600 beinahe verdoppeln kann.
Zwar ist der Longliner ein wahrlich königliches Vergnügen, doch wird der Maybach die Poleposition nicht lange halten. Denn schon in ein paar Wochen zeigt Mercedes auf dem Genfer Salon, dass auch die beste Chauffeurslimousine der Welt noch einmal verbessert werden kann – und zieht das Tuch vom neuen Pullman. Der wird noch länger, noch luxuriöser und natürlich auch noch teurer.
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