Ein Alawiten-Staat könnte Assads letzter Zufluchtsort werden
Tausende Alawiten flüchten zurzeit an die Küste. Manche Beobachter vermuten, dass die Machthabenden dort einen eigenen Staat errichten wollen. Dies würde auch die Massaker von Hula und Masraat erklären.

Die religiös motivierten Gewalttaten in Syrien bringen Beobachter zum Schluss, dass Anhänger von Präsident Bashar al-Assad eine Rückzugszone für Alawiten etablieren wollen. Das Assad-Regime stützt sich massiv auf die religiöse Gemeinschaft der Alawiten, die gut zehn Prozent der syrischen Bevölkerung ausmachen. Historisch beheimatet sind die Alawiten in den Dörfern und Städten der bergigen Mittelmeerküste Syriens. Falls das Regime die Grossstädte Damaskus und Aleppo nicht mehr kontrollieren könnte, würde es sich in einer Alawiten-Hochburg um die Küstenstädte Tartus und Latakia verschanzen, lautet die These.
«Assads Vorstellung, ganz Syrien zu halten, scheint sehr schwierig zu werden», sagt Elias Hanna, ein strategischer Analyst in Beirut. «In einen alawitischen Staat auszuweichen, ist sein Plan B.» Es gibt Berichte, wonach an der Küste bereits gezielt sunnitische Familien vertrieben und auch ermordet werden, um eine rein alawitische Region zu schaffen.
Alawiten gut positioniert
Zwischen den Weltkriegen existierte dort bis 1937 unter französischem Mandat ein autonomes Territorium der Alawiten, bevor es von Syrien eingegliedert wurde. Nach dem Putsch von 1963, der erstmals die Baath-Partei an die Macht brachte, stärkten die Alawiten ihre Präsenz in der Regierung und bei den Streitkräften. Als Assads Vater Hafis 1970 an die Macht kam, besetzte er militärische Schlüsselpositionen mit Alawiten und vertraute damit auf die Loyalität seiner Glaubensbrüder.
Daran hat sich bis heute wenig geändert, auch Assad setzt auf einen von Alawiten bestimmten Machtzirkel. Ein UNO-Bericht aus dem Jahr 2011 schätzt, dass Alawiten im Offizierskorps der Streitkräfte ebenso die Mehrheit ausmachen wie in den Eliteeinheiten der Republikanischen Garde und der gefürchteten Vierten Division unter Führung von Assad-Bruder Maher.
Flucht zur Küste
Die unverhältnismässige Machtverteilung verärgerte die sunnitische Bevölkerungsmehrheit schon vor dem Aufstand. Jetzt bilden die Sunniten das Rückgrat der Opposition und können sich auf sunnitische Hilfe aus der Region verlassen.
Beobachter sprechen von Tausenden Alawiten, die aus umkämpften Städten wie Homs an die Küste ziehen. «Ich fühle mich hier sicherer», sagt in Tartus ein 27-jähriger alawitischer Banker, der anonym bleiben wollte.
«In Homs werden die Bürger von denen terrorisiert, die sich Freie Syrische Armee (FSA) nennen», sagt der Mann. «Ich bin kein Assad-Fan, aber sehr besorgt darüber, was passiert, falls er nicht mehr da ist.»
Der amerikanische Analysedienst Stratfor befand kürzlich: «Es zeichnet sich ab, dass die alawitische Minderheit ihr Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Assads verliert.» Sie würden sich an der Küste auf den Fall der Fälle vorbereiten, meint Stratfor.
Keine Infrastruktur
Die Massaker in den sunnitischen Dörfern Hula und Masraat al-Kubair im Mai und Juni dieses Jahres passen zur Idee eines Alawiten-Staats, weil sie von alawitischen Städten umgeben an den Hauptstrassen Richtung Küste liegen. Analyst Hanna sagt, «sie (die Alawiten) sichern die Versorgungslinien für die Streitkräfte des Regimes, um im nächsten Schritt die Küstenregion zu verteidigen».
Allerdings halten nicht alle Experten ein solches Szenario für wahrscheinlich. Professor Joshua Landis von der Universität Oklahoma merkt an: «Assad hat nichts dafür getan, den Grundstein für einen Alawiten-Staat zu legen.»
Der Küstenregion fehle die notwendige Infrastruktur, sagt Landis -– kein internationaler Flughafen, keine Elektrizitätswerke, keine wichtige Industrie und nichts, worauf man eine Volkswirtschaft aufbauen könnte. Landis ist sich sicher: «Wer auch immer Damaskus und den Zentralstaat hält, wird auch den Rest Syriens innerhalb kurzer Zeit unter seine Kontrolle bringen.»
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