Nach Enthüllungen über Ex-Premier: China weist US-Journalisten aus
Die «New York Times» hatte über die Reichtümer des früheren chinesischen Ministerpräsidenten berichtet. Jetzt muss ihr Korrespondent das Land verlassen.
Trotz Intervention der US-Regierung muss der Pekinger Korrespondent der «New York Times», Austin Ramzy, heute ausreisen, weil ihm das Visum nicht verlängert wird. Diplomaten sehen eine Vergeltungsaktion für die Enthüllungen der US-Zeitung über die Reichtümer der Familie des früheren Ministerpräsidenten Wen Jiabao. Der 39-jährige Amerikaner wartet gemäss seinem jüngsten Eintrag auf Twitter gegenwärtig am Flughafen in Peking auf seinen Flug.
Ramzy ist der zweite Journalist der «New York Times» in 13 Monaten, der China verlassen musste. Nach ihren ersten Berichten 2012 über das Vermögen der Verwandten des damaligen Premiers hatte schon Chris Buckley vor einem Jahr unter ähnlichen Umständen ausreisen müssen, weil ihm eine weitere Aufenthaltserlaubnis verweigert worden war. Er berichtet heute von Hongkong aus über China. Auch Ramzy soll weiter in der Region für die «New York Times» tätig bleiben.
Der Auslandskorrespondentenclub in China (FCCC) äusserte sein «tiefes Bedauern» über das Vorgehen. «Unter diesen Umständen lässt sich die Schlussfolgerung nicht vermeiden, dass die Behörden die «New York Times» für ihre Artikel über Premier Wen Jiabao und seine Familie bestrafen wollen», hiess es in einer Erklärung. «Ein solches Verhalten ist weit von internationalen Standards entfernt.»
Vergeblicher Einsatz der Diplomatie
Die US-Regierung hatte sich bis zuletzt auf hoher Ebene vergeblich für Ramzy eingesetzt. Bei seinem Besuch im Dezember in Peking hatte US-Vizepräsident Joe Biden dessen Fall zusammen mit den inzwischen gelösten Visaproblemen von mehr als zwei Dutzend anderen Korrespondenten der «New York Times» und der US-Nachrichtenagentur Bloomberg angesprochen. Die Agentur hatte über das Vermögen der Familie von Staatschef Xi Jinping berichtet.
Ramzy berichtet seit zehn Jahren über China - erst aus Hongkong und zuletzt seit sechs Jahren aus Peking. Seine Probleme begannen, als er im April vom «Time Magazine» zur «New York Times» wechselte. Erst im Juni hätten die Behörden seinen Antrag auf Umschreibung seiner Akkreditierung überhaupt angenommen, aber nichts unternommen. Am Jahresende wurde ihm eine neue Pressekarte verweigert, so dass Ramzy sein auslaufendes Visum nicht verlängern konnte.
Nicht der einzige Fall
Weder die «New York Times» noch Bloomberg haben seit ihren ersten Enthüllungen über Chinas einflussreiche Familien 2012 freiwerdende Korrespondentenposten in China besetzten können. Ihre Webseiten sind in China blockiert. Seit fast zwei Jahren wartet auch der frühere China-Korrespondent Philip Pan auf die Möglichkeit, den Posten des Pekinger Bürochefs der «New York Times» übernehmen zu können.
Die harte Linie gegen beide US-Medienhäuser wurde als Versuch der Einschüchterung ausländischer Journalisten gewertet. «Die Botschaft für alle ausländischen Journalisten ist klar: Berichte über die persönlichen Aktivitäten hoher Führer sind nicht erlaubt», sagte Paul Mooney, ein langjähriger China-Korrespondent, dem im vergangenen Jahr eine Akkreditierung für Reuters verweigert worden war.
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