Nichts spricht für einen Wechsel
Eine Woche vor der Bundestagswahl stehen die Chancen für Kanzlerin Merkel (CDU) auf eine Wiederwahl sehr gut. Für die SPD gings mit der Ernennung von Kandidat Schulz nur kurzzeitig bergauf.
Angela Merkel hatte sich dieses Mal Zeit gelassen. Erst im November 2016 entschied sich die seit 12 Jahren amtierende Regierungschefin, bei der Bundestagswahl 2017 erneut als Spitzenkandidatin der deutschen Christdemokraten anzutreten. Sie habe das keineswegs als selbstverständlich erachtet, bekräftigte sie kürzlich in einem Interview mit dem «Spiegel».
CDU/CSU klar vorne
Glaubt man den Meinungsumfragen, dann dürfte die Bundeskanzlerin am Abend des 24. September erneut als Wahlsiegerin vor den Kameras stehen. Die CDU/CSU liegt mit Werten zwischen 37 und 38,5 Prozent weit vor den Sozialdemokraten (21 bis 24 Prozent), die Martin Schulz als Kanzlerkandidat aufgestellt haben. Die Frage wäre dann nur, mit welchem Koalitionspartner Merkel künftig regieren würde. Weiter mit der SPD wie seit der Wahl 2013? Oder in einer ganz neuen Farbenkombination?
Schulz-Effekt längst verpufft
Nach der Nominierung des 61-Jährigen zum SPD-Spitzenmann war es mit den Genossen in den Umfragen zunächst bergaufgegangen, und die Partei gewann Tausende neue Mitglieder. Es folgte im Frühjahr die Ernüchterung bei den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Die CDU gewann in allen drei Ländern, zwei davon hatte bis dahin die SPD regiert.
Und auch in den Umfragen auf nationaler Ebene fiel die SPD wieder zurück. Der Schulz-Effekt ist längst verpufft. Das TV-Duell mit Merkel am 3. September hat für Schulz nicht die erhoffte Wende eingeleitet. Die Amtsinhaberin wirkte souverän, die Unterschiede der Positionen der 63-jährigen Regierungschefin und ihres Herausforderers schienen oft so gering, dass Kommentatoren von einem «Duett» statt einem «Duell» sprachen.
Flüchtlinge: Brisanz verloren
«Die Situation in Deutschland ist nicht geeignet, eine Wechselstimmung herbeizuführen», sagt der Berliner Politologe Gero Neugebauer. Programmatisch seien sich die grossen Parteien recht nahe, Schulz habe es nicht geschafft, sich als wirkliche Alternative zu präsentieren. Merkel werde von vielen Wählern als eine Mutterfigur gesehen, die die Konflikte der Welt von ihnen fernhalte. «Und die Flüchtlingskrise hängt ihr nicht mehr so an, weil die Strategien zur Bewältigung greifen», sagt Neugebauer.
Die Öffnung der Grenzen für syrische Kriegsflüchtlinge im September 2015 und der monatelange unkontrollierte Zustrom von Hunderttausenden Asylbewerbern hatten der Popularität der Kanzlerin geschadet. Noch heute hört sie bei Wahlkampfauftritten Pfiffe und Buhrufe rechter Demonstranten. Weil dank der Schliessung der Balkanroute und des EU-Türkei-Abkommens jetzt aber viel weniger Asylsuchende nach Deutschland kommen, hat das Thema an Brisanz verloren.
Die rechtspopulistische AfD, die nach der Flüchtlingskrise einen Höhenflug verzeichnete, hat in den Umfragen gegenüber 2016 wieder an Zustimmung eingebüsst. Mit Werten um 10 Prozent dürfte sie aber den Einzug in den Bundestag schaffen. 2013 war sie noch knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Jetzt könnte sie mit rund 70 Abgeordneten sogar drittstärkste Fraktion werden. Mit der AfD und den wieder erstarkten Liberalen (FDP) dürften künftig sechs statt bisher vier Fraktionen (CDU/CSU, SPD, Grüne und Linke) im Reichstagsgebäude in Berlin sitzen. Dies könnte die Suche nach einer neuen Regierungsmehrheit erschweren.
Schwarz-Gelb möglich
CDU/CSU und SPD möchten die ungeliebte Grosse Koalition nicht gerne fortsetzen – zumal die AfD dann stärkste Oppositionskraft werden könnte. Sollten CDU/CSU und FDP gemeinsam eine Mehrheit der Sitze erreichen, wäre eine Neuauflage von Schwarz-Gelb sicher. Sollte es dafür nicht reichen, könnte es Merkel auch mit «Jamaika» versuchen.
So heisst in Deutschland nach den Nationalfarben der Karibikinsel die Kombination aus Schwarz (CDU/CSU), Gelb (FDP) und Grün. Vorbild könnte für Merkel Parteifreund Daniel Günther sein, der nach dem CDU-Sieg in Schleswig-Holstein im Mai eine CDU/FDP/Grüne-Koalition in Kiel auf die Beine stellte.
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