Französin soll Unesco aus der Krise führen
Die UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat Audrey Azoulay zu ihrer neuen Generaldirektorin gewählt. Die 45-jährige Französin wird sich sogleich mit den massiven internen Spannungen konfrontiert sehen.

Weisser Rauch am Pariser Sitz der Unesco: Die wichtigste und in schwere Turbulenzen geratene UNO-Sonderorganisation hat am Freitag an ihrer Generalversammlung Audrey Azoulay definitiv zu ihrer neuen Generalsekretärin gewählt. Die frühere Kulturministerin Frankreichs wird am kommenden Mittwoch die Nachfolge der Bulgarin Irina Bokova antreten.
Der Entscheid zugunsten Azoulays war nach einem gleich lautenden Beschluss des Exekutivrates im Oktober erwartet worden. Azoulay hatte sich dabei gegen den Kandidaten Katars mit 30 zu 28 Stimmen knapp durchgesetzt. An sich war die Französin als Aussenseiterin ins Rennen gegangen. Denn gegen sie stand der arabische Anspruch, die Unesco erstmals überhaupt seit ihrer Gründung im Jahr 1946 zu leiten. Azoulay Kandidatur verstiess zudem gegen die ungeschriebene Regel, dass das Standortland einer UNO-Organisation nicht auch noch deren Vorsitz übernimmt.
Dass sich die 45-Jährige zum Schluss trotzdem durchsetzte, verdankt sie der Zerstrittenheit der Araber in der aktuellen Katar-Krise. Die diskrete Französin obsiegte in einem früheren Wahlgang gegen eine ägyptische Widersacherin, die von den Katarern abgelehnt wurde; in der Schlusswahl wurde der Katarer dagegen von Ägyptern und Saudis boykottiert, sodass Azoulay überraschend gewählt wurde.
Zwischen den Fronten
Sie steht damit von Beginn an zwischen den arabischen, aber auch anderen Fronten. Kurz vor ihrer Wahl hatten die USA und Israel ihren Austritt aus der Unesco angekündigt. Sie protestierten damit gegen die Aufnahme der nahöstlichen Stadt Hebron in das Weltkulturerbe – und mit Verzögerung gegen die 2011 erfolgte Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Unesco. Azoulay ist jüdischer Herkunft und dürfte bei arabischen Mitgliedern schon deshalb auf Widerstände stossen. Zugleich muss sie den Sparhebel ansetzen, da die USA für rund ein Fünftel des Budgets der Unesco aufgekommen waren.
Die aparte Französin bringt kaum diplomatische Erfahrung mit. Aber sie lernt schnell: Als Kulturministerin von Ex-Präsident François Hollande nur gut ein Jahr im Amt, bewegte sie sich auf dem schlüpfrigen Pariser Parkett souverän. Sie steht politisch links und ist die Tochter eines Chefberaters des marokkanischen Königs. In Paris absolvierte sie Eliteschulen wie Sciences Po und die ENA, wo sie auch, wie sie später erzählte, erstmals auf den «französischen Antisemitismus alter Schule» stiess.
Fokus auf Kernaufgaben
Jetzt warten ungleich schwierigere Aufgaben auf die verheiratete Mutter von zwei Kindern. Azoulay muss versuchen, die USA unter deren Präsidenten Trump in die Kulturorganisation zurückzuholen. Gelingen wird ihr das nur, wenn sie die Interessen Israels schützt; damit würde sie aber viele Schwellen- und Entwicklungsländer – wohl die Mehrheit im Exekutivrat der Unesco – gegen sich aufbringen.
Ihr Vorsitz wird damit zu einer permanenten Gratwanderung entlang der geopolitischen Machtverhältnisse, die in dieser UNO-Organisation seit Jahrzehnten besonders hart aufeinanderprallen. Erfolgschancen hat die neue Generaldirektorin nur, wenn sie die Unesco entpolitisieren kann. Das heisst letztlich: Konzentration auf die Grundaufgaben wie Bildung und Kultur für die Ärmsten dieser Welt.
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