Nicole Kidmans Kurzfilm-SerieAlles ist möglich
«Roar», produziert von Nicole Kidman, erzählt auf magische Art von Frauen. Aber ist das feministisch?

«Roar» ist keine fortlaufende Serie, sondern eine Reihe aus acht Kurzfilmen, die auf Kurzgeschichten der irischen Bestsellerautorin Cecelia Ahern («P.S. I Love You») basieren. Alle sind inszeniert von Regisseurinnen, und es geht, könnte man sagen, immer irgendwie um Frauen. Irgendwie, genau. Beziehungsweise darum, so Ahern, «was es heisst, eine Frau zu sein».
Gibt es einen roten Faden? Am ehesten wäre es der, dass Frauen Menschen sind, die auch in der grössten Krise noch an sich herumschminken oder -frisieren. Mehrere Episoden hintereinander, die das unreflektiert abbilden, entwickeln dann den Beigeschmack eines Stereotyps, das alle feministischen Ambitionen unterläuft, die Produzentin Nicole Kidman gehabt haben mag. Das ist ein bisschen schade, denn manche der acht Filme sind ganz schön – die Aneinanderreihung aber tut ihnen nicht unbedingt gut.
Der erste, «The Woman Who Disappeared», ist einer der besten: Da kommt eine Autorin nach Los Angeles, weil eine Filmfirma ihr Buch kaufen will. Doch beim ersten Widerspruch wird diese schwarze Frau für die weissen Männer um sie herum unhörbar, egal wie laut sie schreit. Und bald können sie sie auch nicht mehr sehen. Die Männer meckern, dass sie sich aus dem Staub gemacht habe, obwohl sie neben ihnen steht, und verfahren dann mit ihrem Buch, wie es ihnen beliebt.
Hochkarätig besetzt, geradlinig erzählt
Die kleinen Filme sind hochkarätig besetzt – in einer ziemlich geradlinig erzählten Geistergeschichte spielt Alison Brie («Glow») ein untotes Mordopfer, in einer anderen, die ganz hervorragend funktioniert, sieht man Kidman selbst als eine Frau, die bald die einzige sein wird, die sich noch an ihr Leben erinnert und sich alte Fotos in den Mund stopft, bis die Erinnerungen um sie herum zum Leben erwachen wie Halluzinationen.
Die Serie beschwört den magischen Realismus, aber den muss man sehr lieben, um noch bei der Stange zu bleiben, wenn sich in einer anderen Episode eine Frau mit einem Erpel einlässt.

Die Folgen dauern jeweils eine halbe Stunde, und die Titel sind oft tatsächlich die Synopsis: Ihre Tochter solle lieber schön sein als klug, sagt eine Mutter am Beginn der Episode «The Woman Who was Kept on a Shelf». Die Tochter wird Model, und vom Laufsteg hinuntergepflückt von einem Millionär.
Der steht bald in seinem palastgleichen Arbeitszimmer und baut eigenhändig eine Ablage, die gerade gross genug ist, damit seine neue Ehefrau sich darauf räkeln kann. Nun sitzt sie also da oben auf dem Regal, jeden Tag in einer neuen Ballrobe, perfekt frisiert, jahrelang, auch nachts.
In «Roar» geht eben alles, weil, na ja, magischer Realismus halt. Als sie endlich in die Tiefe springt, weil ihr Mann längst entschwunden ist und den Raum nicht mehr betritt, kann sie nicht mehr richtig laufen. Von unten betrachtet schwebt sie höchstens in zwei Metern Höhe, von oben aber sind es mindestens fünfzig – das ist dann auch der einzige Moment in dreissig Minuten, in dem dieser Film der titelgebenden Metapher von der alleingelassenen Trophäengattin etwas hinzuzufügen hat. Dreissig Minuten sind kurz – aber für einen einzigen Gedanken dann doch zu lang.
«Roar» (acht Folgen) läuft auf Apple TV+
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