Aufruhr in griechischer PolitikAbhörskandal bringt Premier Mitsotakis in Bedrängnis
Der Oppositionsführer in Griechenland ist monatelang bespitzelt worden. Trotz des Rücktritts des Geheimdienstchefs ist die Sache für die Regierung längst nicht ausgestanden.

Aus der Sicht des griechischen Premierministers ist die Sache klar: Das Ganze sei ein Fehler gewesen, liess er verlauten; «legal» zwar, weil von einem Staatsanwalt angeordnet, aber «politisch inakzeptabel». Kyriakos Mitsotakis hofft offenbar, dass die Sache damit vom Tisch ist; weiter also zum sommerlichen Tagesgeschäft. Doch so einfach will ihn die Opposition nicht davonkommen lassen.
Kürzlich war bekannt geworden, dass der Geheimdienst EYP monatelang einen führenden Oppositionspolitiker abgehört hatte: Nikos Androulakis, Vorsitzender der sozialdemokratischen Pasok und Europa-Abgeordneter. Androulakis hatte von einem Sicherheitsdienst des Europäischen Parlaments erfahren, dass es Versuche gegeben habe, sein Smartphone mit einer Spionage-Software namens Predator zu infizieren, die unter anderem Passwörter und den Browser-Verlauf ausspähen könne sowie Zugriff auf Kamera und Mikrofon ermögliche.
Regierung schränkt auch Medienfreiheit stark ein
Zuvor war bereits ein griechischer Journalist vor Gericht gezogen, weil sein Telefon mit der Software infiziert worden war. Die griechische Regierung bestritt öffentlich, Predator angeschafft zu haben. In jüngster Zeit häufen sich die Vorwürfe, Athen schränke die freie Berichterstattung im Land massiv ein. In der jährlichen Weltrangliste der Medienfreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen ist Griechenland inzwischen auf Rang 108 von 180 abgerutscht. Kein Land der EU steht weiter unten auf der Liste.
Nachdem die Abhöraffäre um den Pasok-Vorsitzenden ans Licht gekommen war, traten zwei hochrangige Funktionäre von ihren Ämtern zurück: Panagiotis Konteleon, Chef des Geheimdienstes EYP, und Grigoros Dimitriadis, Büroleiter des Premierministers und obendrein dessen Neffe.
Der abgehörte Pasok-Chef sagt zur Regierung, sie werde von der Mehrheit der Bevölkerung die «Ausgangstür» gezeigt bekommen.
Medien berichteten unter Berufung auf regierungsnahe Quellen, die Abhöraktion gegen Androulakis sei auf Wunsch des ukrainischen und des armenischen Geheimdiensts gestartet worden. Man habe mehr wissen wollen über die Beziehungen des Politikers zu Russland, China und der Türkei. Die Botschaften der Ukraine und Armeniens in Athen dementierten die Meldungen.
Premier Mitsotakis gab sich in seiner öffentlichen Ansprache zum Abhörskandal zerknirscht, kündigte Reformen an, die den Geheimdienst stärkerer Kontrolle und Transparenz unterwerfen sollen, und beteuerte: «Ich wusste nichts davon, und natürlich hätte ich das nie genehmigt.»
Oppositionspolitiker bezweifeln das und verweisen darauf, dass Mitsotakis den Geheimdienst nach Regierungsantritt 2019 der Kontrolle seines Amtes unterstellt hatte. Die linke Partei Syriza fordert Mitsotakis’ Rücktritt und Neuwahlen.
Sofortige, vollständige Aufklärung gefordert
Der abgehörte Pasok-Chef selbst wirft der Regierung vor, sie habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt und werde von der Mehrheit der griechischen Bevölkerung die «Ausgangstür» gezeigt bekommen. Zuvor hatten mehrere Regierungsvertreter Androulakis persönliche Gespräche über die Vorgänge angeboten; dies lehnte er ab und forderte stattdessen, es müsse alles öffentlich gemacht werden, etwa durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Auch Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou, eine hoch angesehene Juristin, schaltete sich in die Debatte ein. Das Recht auf Privatsphäre sei ein Fundament einer demokratischen und liberalen Gesellschaft, sagte sie und forderte eine «sofortige und vollständige Aufklärung» der Abhöraffäre. Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte mit Blick auf die Vorgänge in Griechenland, die Mitgliedsstaaten müssten «ihre Sicherheitsdienste kontrollieren und sicherstellen, dass sie die Grundrechte vollumfänglich respektieren».
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